Wie geht die Geschichte der Liebe weiter? Einerseits gibt es viele interessante Retro-Trends in Sachen Liebe. Helen Fisher, die bekannteste US-amerikanische Liebes-Anthropologin, spricht von einem Trend zur „Re-Tribalisierung“: Wir haben heute ähnliche durchschnittliche Kinderzahlen wie die Stämme (Nomaden konnte aufgrund ihres häufigen „Umzugs“ nur wenige Kinder erziehen). Wir ziehen häufiger um. Wir haben serielle Beziehungen, also mehr Partner im Laufe eines Lebens, was unsere Ur-Vorfahren auch schon – meist aus Not – praktizierten.
Andererseits könnte die Zukunft auch radikal andere Lösungen für die Liebe bereithalten. Drei Szenarien bieten sich für die weitere Liebeszukunft an: Das erste handelt von der Delegation der Liebe an Maschinen und virtuelle Systeme. Die zweite von der Anpassung unserer Liebes-Verträge an die hypermoderne Partner-Wirklichkeit mit ihren realen „Lebensabschnittspartnerschaften“. Das dritte Szenario handelt von einer Utopie von Zweisamkeit in einem Zeitalter, das durch und durch individualistisch geworden ist.
Erstes Szenario: Die techno-erotische Transformation
Wir schreiben das Jahr 2050. Längst sind die hässlichen Figuren der frühen Robo-Erotik vergessen, man erinnere sich an die monströsen Gummipuppen, die eher Zombies ähnelten als realen Menschen. Die neue Erotik-Roboter-Welt ist cool, edel, designorientiert und von den berühmtesten Hardware- und Software-Genies der Welt umschwärmt. SoulBots ist weltweit die größte AniMate-Firma, die Partner-Roboter herstellt.
In den SoulBot-Showrooms findet man Modelle der neuen Generation von AniMates, mit Individualmaßen nach Bedarf und Vorliebe. Das heißt jedes Körperteil ist einzeln konfigurierbar wie z. B. der Hauttypus, die Länge der Gliedmaße, das Timbre der Stimme und die Festigkeit der Brüste und des Pos. SoulBot-Modelle – übrigens kaufen inzwischen genauso viele Frauen SoulBots wie Männer – gibt es in der einfachen Version mit wenig Face-Differenzierung und das für ein Fünftel des Jahresgehalts. Nach oben hin sind kaum Grenzen gesetzt.
Die wirklichen Edelmodelle sind atemberaubend facial, und in ihrem Kommunikationsverhalten echter als viele Menschen, die sich für echt halten. Die Modelle der Saison 2051 kommen mit einer Künstlichen Intelligenz, die in Sachen Konversation an jedem Dinner der Welt mithalten kann – mit Sonderausstattung auch am Akademiker-Tisch in Harvard. Die Grund-Charakterzüge sind variabel einstellbar und mit Hilfe von SoulCare, der Online-Steuer-Plattform von SoulBots, jederzeit modifizierbar. Ganz besonders innovativ ist das Bonding-Programm, das mit allen neuen Modellen ausgeliefert wird. Dieses erhöht die Fähigkeit zur tiefen Empathie, zum Zuhören, zum Nachfühlen der Probleme und Sorgen des Kundens.
Halten Sie dieses Szenario für völlig absurd? Haben Sie nicht auch manchmal das Bedürfnis, den Partner „abstellen“ zu wollen oder nach Belieben schlecht gelaunt sein zu können, ohne die bedingungslose Zuneigung zu verlieren? Filme wie „Ex Machina“ oder „Her“ handeln von dieser narzisstischen Idee der Liebe, dass wir uns in eine Maschine verlieben können, die ganz unsere Bedürfnisse erfüllt.